Als Quereinsteiger zur Feuerwehr

Gegen zwei Uhr Nachts öffnen wir die Haustüre. Dichter Rauch schlägt uns entgegen, man sieht kaum durch den Türrahmen hindurch. In der Hocke beginne ich an der Wand entlang herein zu kriechen, arbeite mich tastend in die Wohnung vor, die ich zusammen mit meinem Truppführer absuchen soll - Personen sind wohl keine mehr vermisst, haben wir zuvor von unserem Gruppenführer erfahren.

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Ob sich aber neben dem Rauchgas auch der Brand aus dem angrenzenden Laden bereits in die Wohnung gefressen hat, ist unklar. Eines jedenfalls ist sicher: Mit dem Atemschutzgerät und der Pressluft-Stahlflasche auf dem Rücken, dem Wasserschlauch und dem Strahlrohr in der Hand geht es nur langsam voran. Schließlich ist Vorsicht geboten. Bei aller im Einsatz notwendigen Eile darf der Eigenschutz und der Kontakt untereinander im Trupp nicht vergessen werden. Zu sehen ist fast nichts, dafür spüre ich umso mehr, versuche mir ein Bild von meiner Umgebung zu machen: Die Wohnung scheint leer, Holzplatten, die an den Wänden anliegen, deuten auf eine Renovierung hin. Ohne wirklich zu wissen, ob ich in einem Flur oder Raum stehe, geht es langsam vorwärts. Plötzlich schlägt uns Hitze entgegen - wir kommen dem Brand spürbar näher. Aber die Wand hält, außer der Hitze ist im Schein der Helmlampe kein Feuer zu sehen. Und dann müssen wir auch schon umdrehen, der Druck der Pressluftflasche mahnt uns zum Rückzug. Wir treten aus dem Gebäude, wo schon der nächste Trupp Atemschutzgeräteträger darauf wartet, uns abzulösen. Mein erster Einsatz im Innenangriff - also dem Betreten eines brennenden und verrauchten Gebäudes unter Atemschutz - ist hinter mir.

Wer bin ich eigentlich? Ich bin 26 Jahre alt und Journalist. Ich könnte aber genauso gut Handwerker, Bürokaufmann oder Student sein. Das wichtige ist: Ich bin Feuerwehrmann. Erst seit gut einem Jahr. Davor kannte ich die Feuerwehr höchstens aus dem Fernsehen, der Zeitung oder von der städtischen Haushaltsplanung. Angefangen hatte alles damit, dass ich ein neues Hobby suchte - ein Ehrenamt, das mich fordert und zugleich wirklich Sinn macht. Ich schrieb eine Email an unseren Abteilungskommandanten und fragte ganz unbedarft, ob ich überhaupt sinnvoll für die Feuerwehr wäre: Tagsüber in der Redaktion und nicht vor Ort, dazu handwerklich nur äußert begrenzt begabt - um es positiv zu formulieren. Und dazu als Quereinsteiger ohne jegliche Vorkenntnisse in Sachen Feuerwehr. Schließlich hört man ja, dass sich der Feuerwehr-Nachwuchs inzwischen hauptsächlich aus der Jugendfeuerwehr rekrutiert. Das ist nicht falsch, ist aber weiterhin nicht der einzige Weg in die Freiwilligen Feuerwehr. Ich wurde zum Übungsdienst eingeladen und fand mich wenige Tage später auf der Feuerwache in der Hauffstraße ein. Der erste Eindruck vom Übungsdienst: Ein wenig skuril, alles schien seine Ordnung zu haben, vor dem Dienst trat die Truppe in Zweierreihen vor dem Kommandanten an. Themen und Termine wurden besprochen, die mir zunächst noch nicht viel sagten, die Anwesenheit wurde notiert. Als ich kurz vorgestellt wurde und sich neugierige Blicke auf mich richteten, war mir dies in dem Moment dann doch recht peinlich - ich hoffte, mich nicht zu blöd anzustellen. Das Thema des Abends: Knoten und Stiche. Rettungsknoten, Mastwurf, Seilbeutel - gefühlt hatte ich bei meinem ersten Übungsdienst zwei linke Hände, doch die Feuerwehrleute nahmen mich freundlich auf, halfen mir und amüsierten sich, ohne das böse zu meinen, über meine verzweifelten Versuche, aus dem Seilgewirr einen anständigen Knoten hinzubekommen. Was mir Mut machte: Auch einigen Kameraden schien nicht alles auf Anhieb zu gelingen, Irren ist menschlich und im Übungsdienst wird ja vor allem eines gemacht: Geübt. Entsprechend entspannt, aber doch konzentriert war die Atmosphäre. Eines wurde klar - hier kann man etwas lernen.

Heute bin ich einen ganzen Schritt weiter. An der Einsatzstelle erholten wir uns inzwischen nach dem Innenangriff ein wenig - die dichte Rauchsäule, die weiter über dem Gebäude liegt, macht aber klar, dass das noch eine lange Nacht wird. Nach einer kurzen Pause und dem wechseln der Pressluftflasche, stehen wir wieder vor unserem Gruppenführer, bereit für den nächsten Einsatzauftrag. Dieses Mal geht es auf die Drehleiter - für mich wieder ein "erstes Mal" im Einsatz. Als wir mit dem sperrigen Atemschutzgerät den Korb der Drehleiter bestiegen haben, ist für mich innerlich die erste Hürde bereits genommen. Leicht ist der Einstieg in den kleinen Korb nämlich nicht, zumal zwei Feuerwehrleute unter Atemschutz den Korb auch gut ausfüllen. Während wir nach oben fahren, gilt der Blick dem Ladengeschäft und dem Feuerschein, der aus einer Dachlucke zu erkennen ist. Während mein Truppführer den Leiterkorb in die optimale Position steuert, öffne ich das Strahlrohr und ziele mit dem Wasserstrahl in die Dachlucke. Wer hätte es gedacht: Es ist für mich das erste Mal, dass ich tatsächlich mit einem C-Rohr in die Brandbekämpfung eingreife. Im dichten Rauch ist die Sicht auch in luftiger Höhe nur sehr begrenzt, ich verliere die Dachlucke erst aus den Augen, dann auch aus dem Visier des Wasserstrahls - die Flammen lodern wieder auf und durch den Feuerschein kann ich wieder besser zielen. Als später Teile des Daches einfallen, schlagen an mehreren Stellen Flammen hervor, wir können nun auch den Werfer einsetzen. Aus zwei Richtungen schicken wir nun Löschwasser dem Feuer entgegen. Nebenbei bleibt ein wenig Zeit, um hinunter auf die Einsatzstelle zu blicken: Auf die Aufstellung der Feuerwehrfahrzeuge, die Kameraden in der zweiten Drehleiter auf der gegenüberliegenden Seite des Gebäudes und die Trupps, die von unten mit weiteren C-Rohren auf das Dach halten und sich dabei an dem orientieren, was wir von der Drehleiter aus tun. C-Rohre, Werfer, Leiterkorb - Begriffe, die mir inzwischen selbstverständlich sind, musste ich mir noch vor kurzem hart erarbeiten.

Denn nach dem ersten Übungsdienst ging es Schlag auf Schlag. Wie es der Zufall wollte, begann nur kurze Zeit später die diesjährige Grundausbildung, zu der neben den Teilnehmern der Feuerwehr Reutlingen auch Kameraden aus anderen Wehren des Landkreises teilnehmen. Zuvor galt es, sich einzukleiden: Aus der Kleiderkammer ging ich als angehender Feuerwehrmann dicht bepackt hinaus: Neben der Dienstkleidung bekam ich sofort einen passenden Einsatzanzug, eine Ausgehuniform und weitere persönliche Schutzausrüstung wie den Feuerwehrhelm. Während ich dieses Paket nach Hause trug, war ich beeindruckt von dem Grundvertrauen, dass sich mir gegenüber in der Einkleidung zeigte - schließlich wusste ich zu diesem Zeitpunkt selbst noch nicht, was da auf mich zu kommen würde und ob ich überhaupt das Zeug dazu hätte, die Grundausbildung zu packen. Der Einstieg in diese Grundausbildung war dann mit dem obligatorischen Erste-Hilfe-Kurs noch eher entspannt, mit der eigentlichen Feuerwehrausbildung begann dann eine intensive Zeit: Vier Mal in der Woche wurde Abends in Theorie und Praxis geübt, vier Wochen lang, hinzu kamen komplette Freitage und Samstage, in der vierten Woche wurde dann täglich von sieben Uhr an geübt. Ist am Anfang noch alles Neuland, stellen sich die Basics dann doch mit der Zeit ein - nur die ganz grundsätzlichen Dinge. Immer wieder wird klar, dass die vierwöchige Grundausbildung nur den Anfang darstellt - zu lernen gibt es auch anschließend noch mehr als genug. Neben dem Lernwillen sollte man noch zwei Dinge mitbringen: Ausdauer und Kondition. Ersteres ist gefordert, wenn man nach Fehlern Übungen immer wieder wiederholt, bis man die Schläuche nicht mehr sehen und die Einsatzbefehle nicht mehr hören kann - und man es am Ende dann doch durchzieht und sich erste Erfolge einstellen. Und Letzteres, um die arbeitsmedizinische G 26-Untersuchung zu bestehen, die die gesundheitliche Tauglichkeit für den Einsatz in der Feuerwehr prüft. Und um die knapp 30 Meter hohe Drehleiter zu erklimmen - nicht wundern, wenn sich da der Muskelkater einstellt. Trotzdem, nach der bestandenen Theorieprüfung stellen wir Neulinge uns bei der Schauübung schon nicht schlecht an, können eine Wasserversorgung aufbauen, eine Person durch Seile gesichert per Steckleiter retten und Rohrleitungen zur Brandbekämpfung aufbauen. Nun geht es in die einjährige Probezeit in der Einsatzabteilung. Und für mich, als über 18-Jährigen, auch gleich in den Einsatzdienst. Als wir den digitalen Funkmelder erhalten, der uns bei Einsätzen zur Wache ruft, habe ich gehörig Respekt: Schlagartig wird klar, dass aus den Übungen nun Ernst werden kann.

Ein knappes Jahr später sitze ich nun Nachts gegen halb vier auf einer Getränkekiste, esse und trinke eine Kleinigkeit, um nach dem zweiten Atemschutzeinsatz neue Kraft zu tanken. Inzwischen sind zahlreiche Einsatzkräfte aus verschiedenen Stadtteilen zur Unterstützung herbeigeeilt, wir können uns nun eine Pause gönnen. Schließlich steht uns noch eine lange Nacht bevor: Das Einreißen des brennenden Ladengeschäfts, das Ablöschen der Trümmer und die Sicherung des angrenzenden Wohngebäudes, dem nun eine Außenwand fehlt, wird uns noch bis in die Morgenstunden beschäftigen. Später stellt sich heraus, dass ein Brandstifter für den Großband verantwortlich war.

Da bleibt Zeit, um über das vergangene Jahr nachzudenken. Nach der Grundausbildung standen weitere Lehrgänge an: Wir lernten das Sprechfunken und den Umgang mit der Motorsäge, wurden zu Atemschutzgeräteträgern ausgebildet und absolvierten das Leistungsabzeichen in Bronze - eine Übung, in der das Feuerwehr-Einmaleins im Brandeinsatz so lange geübt wird, bis einige Handgriffe einem in Fleisch und Blut übergehen. Nebenbei bin ich als Neuling wöchentlich bei den Übungsdiensten der Abteilung Stadtmitte dabei und komme zu Einsätzen - tatsächliche Brände sind aber eher selten, weit häufiger kommt es zu Fehleinsätzen durch Brandmeldeanlagen. Trotzdem: Auf dem Weg zur Feuerwache weiß man nie, was einen erwartet.

Was sich jetzt auf den ersten Blick nach viel Arbeit anhört, kann ich aber aus eigener Erfahrung entschärfen: Natürlich gilt es viel zu lernen und zu üben, um bei der Freiwilligen Feuerwehr sinnvoll helfen zu können. Aber man kann das zeitliche Engagement in Grenzen halten, auch wenn der Melder und die ständige Möglichkeit eines Einsatzes den eigene Alltag mitunter doch ganz schön durcheinanderbringen kann. In jedem Fall ist die Feuerwehr aber eine Bereicherung. Und beileibe kein Hexenwerk - auch als Quereinsteiger kann ich jedem, der mit dem Gedanken spielt zur Feuerwehr zu gehen, nur raten es zu probieren. Es lohnt sich. Jeder kann lernen, anderen zu helfen! (ath)